Fahrerflucht

Mein Tretauto und ich – wir machten unsere Siedlung unsicher. Jeden Tag. Verkehr auf den kleinen Strassen und Wirtschaftswegen gab es eher keinen.
So fuhren wir beide auf dem Bürgersteig den Grenzweg entlang und bogen in die Wünstorfer Strasse ein.
Der Malermeister Dürr ging auf dem Gehweg der Wünstorfer Strasse und wollte in den Grenzweg einbiegen.
Rumms – da lag der lange Malermeister ausgestreckt auf dem Bürgersteig und rührte sich nicht mehr. Stehenden Fusses wendeten wir (mein Tretauto mit mir) und eilten schnurstracks in unseren Garten. Als wäre nichts gewesen.
Wenige Minuten später klingelte es und der Herr Malermeister stand vor der Tür. Wohlbehalten und wie später zu hören war, bester Laune, zu seinem geplanten Besuch bei meinem Vater.
Ein längeres Lehrgespräch über das gesetzeskonforme Verhalten und Ethik im Strassenverkehr war nicht aufzuhalten.
Der Grundstein für meine Autobegeisterung war gelegt.
Pflanzungen

Mein Opa war ein Gartenfreak, er pflanzte und pfropfte was der Garten hergab. Besonders interessant schien mir das Einsetzen von Stecklingen in den Boden.
Eines Tages beschwerten sich unsere Lehrlinge (heute Azubis genannt), dass in ihren Werkstattschubladen keine Schraubenzieher mehr zu finden seien und sie so nicht mehr arbeiten könnten.
Natürlich fiel der Verdacht sofort auf mich. Es war ja sonst kein Verdächtiger da. Also nahm man mich beiseite und versuchte den rätselhaften Schraubenzieher-Schwund aufzuklären. Der Klügere gibt bekanntlich nach und ich erklärte, dass ich die Schraubenzieher – wie der Opa seine Stecklinge – im Garten eingepflanzt und mit dem Hammer versenkt habe.
Sehr liebevoll wurde ich durch den Garten geführt und bei jedem wiedergefundenen Schraubenzieher gab es eine Belohnung.
Noch nach Jahren tauchten verrostete Überreste meiner Pflanzaktion im Garten auf…Keine Belohnung!
Gartenarbeit war für mich final erledigt.
Der blaue Dixi

Unser erstes Auto war der Dixi. Lizenzbau eines Austin von BMW. Sehr betagt, blau angestrichen. Regnete es, fand sich blaue Farbe auf der Strasse wieder. Aber faszinierend.
Diese Autos hatten keinen Zündschlüssel, sondern einen runden Stift mit einer spitzen Nase, der einfach in das entsprechende Loch gedrückt werden musste. Wie auch früher bei den Motorrädern im Scheinwerfer.
Türschlösser im heutigen Sinne waren seinerzeit auch nicht üblich.
Ich erinnere mich an aufgeregt aus dem Haus stürzende und zu dem Dixi rennende Eltern, der mit laufendem Motor und mit mir hinter dem Steuer vor dem Haus stand. Sie zogen dann meinen Nagel aus dem Zündschloss.

Die Leidenszeit des Dixi hatte bald ein Ende – er wurde ausgeschlachtet. Mit meiner tatkräftigen Hilfe und totaler Begeisterung.
Damit war meine Affinität zu Autos jeder Art gefestigt.
Die Elektrizität

Das Prüffeld in der Elektromaschinenbau-Werkstatt meines Vaters übte eine unglaubliche Faszination aus. Auch dadurch, dass ich dort mindestens unerwünscht war, bestenfalls geduldet in Begleitung beider Eltern.
Die vielen Kabel, Buchsen und Steckdosen, Lämpchen, Motore – nichts ging darüber.
Wir standen zu Dritt vor der Werkbank, ich schnappte mir ein Prüfkabel mit zwei Bananensteckern, rannte auf die beiden schwarzen Löcher in einer Steckdose zu – puff! Licht aus, alles aus. Elterliches Entsetzen.
„Bernd gemacht hat“ war dann meine prompte Entschuldigung.
Also elektrisch konnte ich jetzt auch.
Der silberne Löffel

Die ersten zehn Jahre hatte ich wohl gerade hinter mir, als ich von einem Seebeck-Effekt hörte.
Der heute bekanntere ist der Peltier-Effekt, nach dem die thermoelektrischen Kühlboxen arbeiten. Wie Seebeck, nur rückwärts.
Man benötigt zwei unterschiedliche Metalldrähte oder Metallstreifen, die an einer Stelle zusammengelötet werden. Hält man jetzt unter die Lötstelle eine Kerze und bleiben die anderen Drahtenden kalt, kann man dort eine elektrische Spannung messen. Lötet man mehrere dieser Kombinationen in einer Reihe zusammen, könnte man damit ein Glühlämpchen leuchten lassen. Das musste ich unbedingt mal probieren.
Die erzeugte Spannung hängt vom Material ab. Silber auf der einen und eine Eisenlegierung auf der anderen Seite ergeben eine glückliche Kombination.
In der Küchenschublade fand ich einen älteren Silberlöffel, der mir sehr geeignet schien. Er wurde mit meiner Blechschere in mehrere Streifen geschnitten und platt geschmiedet. Dann kam die Lötarbeit an die Reihe und schließlich die Kerze und etwas kaltes Wasser für die Gegenseite. Kaum zu glauben, die kleine Glühbirne leuchtete auf. Toll!!!
Natürlich musste ich mein Werk auch präsentieren.
Meine Mutter bekam leuchtende Augen. Der Silberlöffel war ein über Generationen gehütetes Erbstück.
Mein Vater war wohl etwas stolz, durfte das aber zu diesem Zeitpunkt nicht so richtig zeigen.
Meine Begeisterung für die Physik war erwacht.
Gerade fällt mir ein, dass Heidrun auch noch solche Silberlöffel hat…
Habe erst geschmunzelt und dann herzlich gelacht.
Danke für die Anekdoten.
Das war ja auch meine Absicht. Herzlichen Dank für die nette Rezension.
Viele Grüsse, Bernd