Version 1 vom 27.3.2023
Das ist kein Reisebericht – sondern wieder einmal ein Restaurierungsobjekt.
Der 17.7.1980.
Wir waren mit unserem Autobianchi A112 und dem neuen AirCamping Dachzelt auf grosser 6-Wochen Deutschland-Tour. Entspannt rollten wir durch Garbsen, aus dem Radio klang ABBAs „I have a dream“, da blitzte im Rückspiegel unser Traum auf.
Ein Landrover 109 IIa Pick Up, Bj. 1970, 2 1/4L Benziner.
Einsam und verlassen fristete er sein Dasein auf einer Tankstelle, als Eigentum eines Hüters des Gesetzes. Aber der war leider im Urlaub.
Telefonisch einigten wir uns auf DM 5.000.- in bar. 2 Wochen später stand ich mit der grossen Werkzeugkiste (per Bus, Bahn, Bahn und Bus…) neben dem Landy. Am Abend brachte ich ihn zum Laufen und ein paar Stunden später ging erstmal alles auf Null. Motor, Licht, Laune.
Auf der Autobahn.
Die Werkstatt-Scheune in Schwaigern erreichte ich dann am frühen Morgen.
Man beachte das Fenster in der Beifahrertür – der Landy wurde als Schneepflug eingesetzt!
Zunächst kamen Blechschere und Flex zum Einsatz.
Der Aufbau ist schliesslich 30cm länger geworden, als das Fahrgestell – das war Absicht!
Dann die Beplankung mit 1mm Alublech, halbhart.
Aus dem 88er musste die Fairey Capstan-Winde ummontiert werden, Wasser- und Dieselzusatztanks, der Prototyp des späteren Woick-Kompressors, ein Fairey Overdrive und Freilaufnaben fanden ihren Weg an den 109er.
Wasser-Entkeimung
Wir haben eine druckgesteuerte Flojet-Taumelscheibenpumpe mit 3,5bar und eine Katadyn Filterkerze No.4 im EBF Filtergehäuse eingesetzt. Der Keramikfilter hat den unschlagbaren Vorteil, unterwegs nahezu beliebig oft (bis ca. 15.000 Liter Durchfluss) mechanisch gereinigt werden zu können. In den Tropen war der Filter oft schon nach 10 Litern „zu“! Wegwerf-Patronenfilter wären völlig ungeeignet.
Zu dem Thema Trinkwasser Aufbewahrung und Entkeimung gibt es einen separaten Beitrag:
https://berndwoick.de/trinkwasser-auf-fernreisen/
Fairey Overdrive
Der Overdrive ist ein Zusatzgetriebe, das am Nebenabtriebflansch montiert wird. Es reduziert die Motordrehzahl um ca. 20% bzw. erhöht die Geschwindigkeit um ca. 25% (haha…). Aber in Verbindung mit 58 Diesel-PS ist der Begriff „Geschwindigkeit erhöhen“ fehl am Platze.
Die Geschwindigkeitserhöhung gilt generell für jeden Gang und damit auch für die Gänge mit Reduziergetriebe.
Fairey Capstan Winch
Das Seilspill wird direkt von dem Abnehmer an der Kurbelwellen-Riemenscheibe angetrieben und arbeitet solange der Motor läuft. Die Zugkraft liegt je nach Ausführung und verwendetem Scherstift zwischen 1,2 und 2,0 t. Der grosse Vorteil der Spill ist die Möglichkeit beliebig lange Seile verwenden und gleiche Zugkraft vom ersten bis zum letzten Meter nutzen zu können.
Freilaufnaben
Ausschliesslich bei Allradantrieben mit zuschaltbarer Vorderachse wirksam. Bei deaktiviertem Allrad treiben die Vorderräder alle Wellen, Differenzial, Gelenke und Getriebeteile an, was unnötige Verluste, Vibrationen und Geräusche hervorruft.
Schaltet man in dieser Situation die Freilaufnaben auf „frei“, sind die Vorderräder entkoppelt, die Wellen, Differenzial, Gelenke usw. stehen jetzt während der Fahrt still.
Vergisst man, die Freilaufnaben zu blockieren, wenn die Reduktion genutzt werden muss, drehen die hinteren Antriebswellen dank Überdrehmoment einfach ab. Gerne platzen auch die Planetenräder im Differenzial!
Das sieht dann so aus (gepflegtes Souvenir aus der Ténéré).
Radkasten-Zusatztank
Die beiden Diesel-Tanks werden jeweils rechts und links vor den Hinterrädern montiert und bieten zusätzlich zu den beiden serienmässigen 48Liter Tanks unter Fahrer- und Beifahrersitz 130Liter Tankvolumen. Die Tanks können bei dem 4-türigen Station nicht verwendet werden. Unsere Kotflügeltanks mit 2x 35Litern passten wegen der grossen Sandreifen nicht mehr.
Möbel
Für die Möbel hat uns die Fa. Kohler in Schwaigern einige Platten 7-lagiges 9mm Sperrholz mit Buche-Aussenlagen und Pappel-Innenlagen gefertigt. Sehr leicht (5 kg/qm) und stabil. Verleimung AW100 – tropenfest. Die Versiegelung haben wir mit säurehärtendem 2K-Parkettlack ausgeführt. Dieser Lack ist extrem schnelltrocknend, sehr hart, kratzfest und wasserfest – heute gibts gegen diese Lacke gewisse Vorbehalte. Sie dampfen Formaldehyd aus!
Dachzelt
Unser AirCamping 130 Dachzelt vom Autobianchi A112 (links im Hintergrund) mit Heidrun. Die Dachzeltleiter steht in einem Haltebügel an der Stossstange. Damit bleibt der Landy auch mit offenem Dachzelt manövrierfähig. Es fehlen noch der Hubdach-Stoff, die Inneneinrichtung, der Umbau auf Dieselmotor, neue Sandreifen, Sandbleche und, und, und….
Einen 5-fach gelagerten Diesel besorgte Emanuel Ebner von FWD GmbH aus Waake.
Der Umbau auf Diesel erzürnte mehrere TÜV-Prüfer, da nach derart gravierendem Umbau ein Vollgutachten mit Abgas- und Geräuschmessung (und unbezahlbar) fällig wäre und die Verlängerung des Aufbaus und überhaupt…
Der 3. Prüfer beim übernächsten TÜV, diesmal in Sinsheim, fand den Umbau echt toll – und alles ward gut.
Inzwischen sieht er ganz gut aus. Über ein bisschen frischen Lack würde er sich freuen. Aber erstmal gehts an die Inneneinrichtung.
Man erkennt die Kühlschlangen des Ölkühlers, der in den Tropen sehr hilfreich sein sollte, den etwas martialisch geratenen Zyklon und das Seilspill und die Doppel-Stossstange aus dem 88er.
Erste Probefahrten zeigten die geräuschmindernde Wirkung des Overdrives.
Honda EM500 Notstromaggregat
Unsere Batterie-Erfahrungen waren über die Jahre nicht so vertrauenserweckend. Wir entschieden uns daher dafür, einen Benzingenerator mitzunehmen. Der kleinste Verfügbare war seinerzeit der Honda EM500. Dank kompakter Abmessungen und ordentlichem Aufräumen im Motorraum passte er knapp zwischen Kühler und Radlauf. Da das Aggregat vollständig von vorne bedienbar war, musste es nicht zwingend herausgenommen werden. Eine abschliessbare Klappe schützte vor Nässe und fremden Fingern.
Nach der Umbereifung auf Michelin X-FS 7.50 R16 gab es die ersten Tests unter Realbedingungen. Die Übernachtungen in Frankreich führten zu ungeplanten Verlängerungen der Wunschliste. Die Möblierung bestand bisher aus zwei Klappstühlen, einem Campingtisch und dem Benzinkocher.
Aber es durfte gewohnt werden!
Die Inneneinrichtung ist inzwischen fertig, die Verkleidungen noch nicht.
Zwei Peltier-Kühlboxen à 10 Liter, made in DDR! sorgten für angenehm klimatisierte Dia-Filme und ein bisschen Lebensmittelkomfort. Ein selbstgebauter DC/DC-Wandler hob die 12V auf 13,8V und die Peltierboxen auf ein besseres Kühlniveau. Küche, Spüle, Herd wie üblich, der grosse ITT-Weltempfänger hatte seinen Platz in der Fahrerkabine – dann als Autoradio.
Die Fahrerkabine wurde gedämmt, eine Konsole über der Windschutzscheibe nahm hinter 2 Klappen Karten (ja, noch aus Papier!), Formulare und anderes wichtiges Kleinzeugs auf. In der Mitte der damals obligatorische „AirGuide“ Autokompass und oben unter dem Dach der ITT Schaub-Lorenz Weltempfänger „Touring CD 108“ als Autoradio.
CD ist hier etwas irreführend.
Der Grundig Satellit Weltempfänger war zwar deutlich besser – nur der Preis nicht!!!.
Ein Blick durch den Eingang. Rechts an der Wand die Foto-Entwicklerschale, die umgeklappt als Duschwanne fungiert. Der Duschvorhang hängt zusammengerollt am Hubdach. Links von der Tür unter dem Sitz ist das wichtige Plumpsklo eingeschoben.
Der – unverzichtbare – Hi-Lift steckt von hinten in dem ungenutzten Rahmendurchlass für eine Abtriebswelle.
Unseren Berner Sennenhund Ergo habe ich grundsätzlich ins Auto gehoben – ihm fehlte die mir angeborene Begeisterung für Landrover völlig.
Bis zur Abfahrt waren rund 1.000 Stunden in den Um- und Aufbau geflossen.
Los geht’s. Auf nach Kamerun.
2.November 1981
Tolle Stimmung, alles passt, aus dem Radio intonierte Gottlieb Wendehals die „Polonaise Blankenese“, die Ausfahrt des vor wenigen Monaten eröffneten Gotthard-Tunnels erschien als heller Fleck vor uns.
Ein Schlag „von unten“, die Räder blockierten kurz. Stillstand. 200m vor Ende des Tunnels. Ein Blick unter den Landy offenbarte blitzblanke Zahnräder. Logo, jedes Getriebe hat Zahnräder. Nur sieht man die normalerweise nicht von aussen. Ein Handteller grossen Stück vom Gehäuse fehlte und eine Öllache verunreinigte den Original Schweizer Asphalt. Nach einigem Hin- und Herruckeln konnte der 2. Gang eingelegt werden und wir zuckelten unter lautem Schlagen des Getriebes über Faido (falsche Werkstatt Info) nach Airolo. Herr Wolfisberg der gleichnamigen Garage half sofort und unbürokratisch!
Das Getriebe wurde demontiert und als absoluter Totalschaden erkannt. Das neue Getriebe schlug mit 5.000 Sfr zu Buche!
Kamerunreise beendet. Rückfahrt nach Hause.
Heidrun hatte die rettende Idee und löste ihre Aussteuerversicherung (sowieso überflüssig) auf, das Getriebe wurde bestellt und von dem sehr motivierten Mechaniker eingebaut.
Die Fähre wurde umgebucht.
Das defekte Getriebe mit dem gebrochenen Wellenstummel…
…das neue Getriebe – also Heidruns Aussteuer – kam dann von der Titan AG aus Zürich.
Los geht’s die Zweite. Auf nach Kamerun.
Tolle Stimmung, alles passt, im Radio war John Lennon zu hören mit „Imagine“.
Wir stellten uns vor, dass wir endlich auf die Fähre fahren können.
Auf der Autobahn kurz vor Alessandria drehte der Motor im 4. Gang bei 80 plötzlich höher. Woher nahm er die Leistung? Leider nahm die Geschwindigkeit nicht zu sondern deutlich ab. Autobahn, Strassenrand – das kannte der 109er ja schon. Der traditionelle Blick unters Auto offenbarte eine kilometerlange Ölspur und ein wiedermal ölnasses Getriebe.
Wir schleppten uns langsam, rauchend und stinkend nach Alessandria und fanden eine Fiat-Werkstatt, die bereit war Hand anzulegen.
Das Getriebe wurde ausgebaut und eine total verölte Kupplung kam zum Vorschein. Der Ölstand im Getriebe war etwas höher als normal! Immer noch!
Ein Telefonat der Fiat-Werkstatt mit Herrn Wolfisberg offenbarte, dass der motivierte Mechaniker zweimal Öl eingefüllt hatte. Ausser unserer Übernachtung im Hotel kam die Schweizer Werkstatt für alle Kosten auf! Dafür nochmal vielen Dank!
Die Fähre wurde umgebucht.
Wer zu spät kommt, den bestraft das Wetter.
Aber diesmal erreichten wir die Fähre pünktlich.
Und was ist jetzt mit Kamerun 1981/82?
Und was ist mit Algerien, dem GrandErg 1983/84?
Zu Beginn habe ich geschrieben, dass das hier kein Reisebericht ist! Aber der kommt. Nicht sofort aber gleich.
Nachwort
Nach unserer letzten Tour durch den Grand Erg in Algerien haben wir unseren ersten Mercedes 300GD bestellt und den Landrover zum Verkauf ausgeschrieben. Tatsächlich meldete sich genau eine Person, ein Geschäftsmann aus Berlin, der ihn für sich und seine Freundin kaufte.
Mehrere Kunden meldeten in den folgenden Jahren „Sichtungen“ auf einem Campingplatz in Reykjavik. Ohne Freundin.
Dann erhielt ich ein Foto von einem inzwischen weissen Landy aus Starnberg. Der letzte Käufer hat unseren Roten komplett auf serienmässiges Hardtop zurückgebaut und alle sonstigen Komponenten entfernt – wo und wann wissen wir nicht.
Ihr vielleicht?