Letzte Überarbeitung: 19.10..2022 Sandluftdruck, Michelin Geländereifen
Hilfreiche Informationen zu einigen Reifenproblemen, Antworten auf die Fragen nach dem richtigen Luftdruck und ein Link zu Michelin/Goodrich Reifenhandbüchern.
Fast täglich erreichen mich Meldungen über mehr oder weniger gravierende Reifenprobleme. Viele Unstimmigkeiten lassen sich durch die Lektüre des Michelin-Reifenhandbuchs eindeutig lösen. Ein solches Problem scheint wohl der korrekte Reifenluftdruck zu sein.
Ermitteln der Achslast bzw. Radlast
Bevor man sich Gedanken über den Luftdruck macht, muss die Radlast bekannt sein. Dazu gibt es Radlastwaagen, z.B. von Reisch bis 1.5to, die allerdings einen recht hohen Wiegefehler und eine sehr geringe Wiederholgenauigkeit von über 5% bis 10% aufweisen.
Wir wiegen unsere Fahrzeuge seit Jahren bei einem großen landwirtschaftlichen Betrieb, auf dessen digitaler Bodenwaage sich die Gesamtmasse bestimmen lässt, die Achslast und mit mehr Zeitaufwand die rechte und linke Fahrzeugseite auswiegen lassen und so bei größeren Differenzen auch die Radlast genauer bestimmen lässt. Bei gleichmäßiger Beladung ist meistens die halbe Achslast als Radlast ausreichend.
Es werden hier freundliche 5€ berechnet.
Reifenluftdruck
Bei unseren Fahrzeugen verlasse ich mich zu 100% auf die Angaben von Michelin im Handbuch. Damit konnten sowohl im Duro 6×6, als auch in den älteren G-Modellen und auch im aktuellen Sprinter gleichmäßiger Abrieb über die Lauffläche und angenehmeres, weicheres Abrollen erreicht werden.
Bei unserem Sprinter 4×4 gibt Iglhaut z.B. in der mir mitgelieferten Betriebsanleitung für den verbauten Reifen und die Achslast 4 bis 4,5bar an.
Michelin empfiehlt ca. 2,8bar bis 170km/h bei einem angegebenen Maximal-Druck von 3,5bar. Aha!
Schwieriger ist der Luftdruck bei einem 6×6 zu ermitteln, da die mittlere Achse deutlich mehr Last aufnehmen muss, als die 3. Achse. Wenn kein Differenzial zwischen 2. und 3. Achse vorhanden ist, gibt es hier erhebliche Zwangskräfte, die zu stärkerem Verschleiss (durch Schlupf) an der 3. Achse führen. Hier hat es sich bewährt, bei Achse 2 und 3 den Luftdruck so einzustellen, dass der statische Halbmesser der beiden Räder gleich ist (einfach mit dem Meterstab…). So konnte bei unserem Duro der Verbrauch unter gleichen Bedingungen von 22 auf 20l/100km gesenkt werden.
Reifenluftdruck im Gelände, Offroad
Alle dieses Aussagen beziehen sich auf die üblicherweise voll beladenen Reisefahrzeuge, die eher langsam fahren können und möglichst keine Werkstätten für Dämpferwechsel, Reifenflicken oder Silentblocktausch aufsuchen möchten. Die Fahrzeuge vor Ort fahren in der Regel mit leichten Fahrzeugen schnell, oft mit Reifen hoher Tragfähigkeit und damit mit höherem Druck. Das sollte kein Maßstab für „uns“ sein.
Aber wo beginnt „Piste“? Nicht ganz einfach aber die guten Gravel-Pads in Namibia, der Denali und Dempster Highway zählen noch zu den Strassen und nicht zu den Pisten und werden folglich mit Strassenluftdruck gem. Michelin Reifenhandbuch oder komfortbetont mit leicht reduziertem Luftdruck gefahren.
Vor Jahren noch war es erforderlich den Schlauchreifen auch auf schlechten Pisten einen erhöhten Druck zuzumuten, da man ansonsten aus dem Flicken nicht mehr herauskam. Die modernen schlauchlosen Reifen ermöglichen es, auf Pisten mit geringerem Druck bei verminderter Geschwindigkeit zu fahren. Da beim Fahren mit reduziertem Druck, die Flanken etwas mehr gefährdet sind, obliegt es dem Fahrer, entsprechend zu pilotieren.
Die Reifenflanken – je höher die Traglast, desto steifer sind sie und desto ungeeigneter sind sie für Fahrten mit niedrigem Luftdruck. Der Latsch, also die Aufstandsfläche z.B. im Sand bildet sich eher länglich und in der Mitte tiefer eintauchend aus – das Gegenteil von gewünschter Sandeignung!
Mehr Schaufeln, Bleche legen und höherer Verbrauch sind die Folge.
Fahren mit niedrigem Luftdruck mit Schlauchreifen ist auch problematisch, da sich die Felge schneller dreht, als der Reifen und dadurch das Ventil immer schräger steht – bis es abreisst! Besonders beim Fahren mit Volllast, Reduktion und in den unteren Gängen reichen wenige hundert Meter! Daher regelmässig einen Blick darauf werden und den Sitz korrigieren. Das geht nur mit Aufbocken, Luft raus usw…
Mit schlauchlosen Reifen gibt es diese Problematik natürlich nicht, allerdings kann bei zu niedrigem Luftdruck (unter 0,3/0,4bar) und unpassenden Seitenkräften sich der Reifen von der Felge lösen. Auch nicht gut.
Fahren im Sand erfordert viel Erfahrung, die man erst durch Fahren im Sand erwerben kann….
Das untenstehende Diagramm wurde nach den eigenen Erfahrungen aus über 100.000km Reisen abseits des Asphalts und den entsprechenden früheren Diagrammen von Michelin (ja, damals waren die Hersteller mutiger! ) für die 7.50R16 und 9.00R16 Sandreifen XFS und XCL im Sand und auf der Piste abgeleitet. Die Angaben erfolgen ohne Gewähr und wer sich daran hält, ist selber Schuld…
Reifenluftdruck und Temperatur
Alle Reifendruckangaben beziehen sich auf den „kalten“ Reifen, also bei einer Temperatur von 20°C. Damit ist man bei Nachprüfungen oder bei Fahrten in heißen oder kalten Ländern gezwungen, den Luftdruck anzupassen. Die Reifentemperatur misst man schnell und einfach mit einem kleinen Infrarot-Thermometer (TFA Mini Flash, ca. 15€)
Zur Temperatur/Druck-Umrechnung gibt es verschiedene Formeln, die aber zu ähnlichen Ergebnissen führen. Auf deren Basis lässt sich die folgende Tabelle erstellen.
Daran ist zu erkennen, wie sich der Reifendruck mit der Temperatur verändert. Der einzustellende Reifendruck bezieht sich immer auf die jeweilige Umgebungstemperatur und muss bei kalten Temperaturen vor der Fahrt auf den Nennluftdruck erhöht und bei hohen Umgebungstemperaturen gesenkt werden! Eine Erhöhung durch die Walkarbeit des Reifens wird nicht weiter berücksichtigt und ist normal.
Ein sehr gutes und verlässliches Messgerät ist der Präzisions-Reifendruckprüfer der Fa. Flaig RM/4S-A (ca. 40€) mit +/- 1% Fehler über die Skala von 0 bis 4 bar und mit nachstellbarem Nullpunkt.
Auswuchten
Reifen, die schlecht gewuchtet sind, fahren sich ungleichmäßig ab, neigen zu Sägezähnen, verschleißen die Dämpfer und „stören“ am Lenkrad.
Bei Geländereifen fliegen auch gerne mal Profilstücke weg, Auswuchtmassen gehen verloren oder die Räder bekommen im Laufe der km erneut Unwuchten. Damit ist früher oder später der Gang zum Reifenhändler sicher.
Seit 2000 haben wir auf das konventionelle Auswuchten komplett verzichtet und benutzen ausschließlich das Auswuchtgranulat Equal von Rema-TipTop. Für den 285er Goodrich wird pro Rad eine Tüte D mit 170g Granulat benötigt, die bei der Montage in den Reifen gelegt wird. Das Granulat verteilt sich nach jedem Losfahren neu und wuchtet damit das Rad ständig neu aus. Selbstverständlich ist das Granulat auch mit den neuen Reifendruckkontroll-Systemen (RDK) kompatibel.
Das Granulat wird für unter 10€ angeboten.
Sägezahn – Spurfehler feststellen durch Handauflegen
Dieser Tipp stammt aus dem Handbuch – als Beispiel (Seite 49).
1. Aufstellungen der Profilkanten des Reifens (Sägezahn) sind dann zu spüren, wenn Sie mit der Hand zum Fahrzeug hin über den Reifen streichen: Anzeichen für zu viel Nachspur.
2. Aufstellungen der Profilkanten des Reifens (Sägezahn) sind dann zu spüren, wenn Sie mit der Hand vom Fahrzeug weg über den Reifen streichen: Anzeichen für zu viel Vorspur.
Meine sägezahnbehafteten Räder habe ich auf der Hinterachse montiert. Der Lärm war geringfügig geringer, die Sägezähne haben sich nicht, wie erhofft, egalisiert. Sind sind erhalten geblieben, gefühlt haben sich einige auch verstärkt. Abhilfe: Habe 2 neue Reifen gekauft…..
An unserem Sprinter 4×4 mit Goodrich A/T KO2 285/75R16 haben wir nach vielen Versuchen eine Vor-/Nachspur von 0°/0° eingestellt. Erst hiermit sind auch nach über 10.000km keinerlei Sägezähne oder sonstige Abriebfehler feststellbar. Der Luftdruck von 2,9bar bei einer Achslast von 2000kg führt auch zu völlig gleichmässigem Abrieb über die gesamte Reifenbreite.
Die Michelin Reifenhandbücher
Mir ist völlig unklar, warum dieses Grundlagenbuch so gut versteckt wird. Den hier aufgeführten Link habe ich nach vielen Mails und Telefonaten von Michelin in Karlsruhe zugeschickt bekommen.
Es sind unzählige hilfreiche auch bebilderte Tipps enthalten und natürlich die Luftdruck- und Tragfähigkeitstabellen aller Michelin, Kleber und Goodrich Reifen. Das Buch ist ein Muss für den Fernreisenden, der keine Reifen-Überraschungen erleben möchte.
Im Michelin Geländereifen-Handbuch sind auch die Luftdruckdaten für den Sandreifen XS aufgeführt.
Der Link zum Download als PDF
https://berndwoick.de/wp-content/uploads/2019/08/Michelin-Goodrich-Betriebsanleitung-2015.pdf
https://berndwoick.de/wp-content/uploads/2022/10/Handbuch-Michelin-Gelaendereifen.pdf
Jederzeit genügend Luft im Reifen wünscht dir
Bernd Woick