Suchflug in Algerien und Mali 1982
Letzte Überarbeitung: 7.3.2023
Anfang 1982, die Zeitungen im Süden Deutschlands, die Tagesschau berichteten, dass ein dt. Ehepaar, Mitarbeiter des Bayr. Rundfunks, in der Sahara vermisst wird. Viele Fernreisende beteiligten sich über Wochen an der Suche, verteilten Flugblätter in Oasen, in Genua und Marseille. Ergebnislos.
Die Familie beschloss, einen Suchflug zu organisieren, der an Hand der vorliegenden sehr spärlichen Informationen den Verbleib der Eheleute klären soll. Wirkliche Informationen gab es nur sehr wenige, die letzten Berichte über Begegnungen mit anderen Reisenden nannten die Gebiete zwischen Tessalit in Nord-Mali und Bordj Mokhta in Süd-Algerien.
Das Ehepaar war, wie man annahm, auf der Rückreise von Mali in Richtung Tunis unterwegs.
Dank der Mithilfe von Herrn Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski konnte die Familie einen „Search- and Rescue-Flight“ organisieren, der das freie Fliegen und Suchen in Algerien und Mali ermöglichte, die beteiligten Länder zur Hilfe anhielt sowie Start- und Landeerlaubnis pauschal und gebührenfrei ermöglichte. Natürlich war die Deutsche Botschaft in Algier über das Auswärtige Amt eingebunden, die das Informations- und Genehmigungszentrum und für den Transfer zum und vom Flughafen zuständig sein sollte. Auch die für den Überflug des Mittelmeers obligatorische Seenot-Rettungsinsel sollte dort zwischengelagert werden.
Anfang März erreichte mich ein Anruf von Klaus Därr aus München, mit der Frage, ob ich diesen Suchflug begleiten würde. Die Aufgabe klang sehr einfach: Auf Grund unserer jahrelangen Sahara-Reiseerfahrung sollte ich für den Kontakt zu Behörden, Militär, Polizei zuständig sein, aus der Luft einen geeigneten Platz für einen Basis-Start- und Landeplatz zwischen den Dünen ausfindig machen, also Bodenbeschaffenheit, Tragfähigkeit usw. beurteilen, die Suchgebiete nach den hoffentlich noch eingehenden Informationen festlegen, bei technischen Problemen helfen und den Funkverkehr mit der Bodenstation in Bayern aufrechterhalten. Das klang zu Hause noch nach einer nicht so schwierigen aber interessanten Angelegenheit….
Unser Team vor der Cessna 210 D-EHAT in München Riem.
Bereits am 19. März 1982 trafen wir uns in München-Riem auf dem Flugplatz an der Cessna 210 mit dem Rufzeichen D-EHAT, ausgerüstet mit Longrange-Tanks, Blindflug-Instrumenten und einem speziellen von Dornier eingebauten KW-Funkgerät, mit dem der Kontakt aufrechterhalten werden sollte.
Unser Team – das war Horst, der Bruder der Vermissten, Helmut Henfling, ein erfahrener Busch-Pilot und Eigner der Cessna, Fritz Wallner, Betreiber einer Mercedes-Oldtimer-Werkstatt als Co-Pilot und eben ich selbst, Bernd Woick, Besitzer eines kurz zuvor gegründeten Expeditionsausrüster-Geschäfts.
Einmal Volltanken und Start!
Um 9 Uhr morgens rollten wir los – die winzigen Rädchen wackelten und zitterten über den Beton, das dünne Röhrchen, das die Piloten Fahrgestell nannten, flatterte mit meinen Nerven um die Wette. Inzwischen fand ich die Idee, in den Dünengebieten nach einem Landeplatz suchen zu dürfen als total daneben.
Unsere Route führte uns durch viele Alpentäler, über den Lago Maggiore und Ajaccio, wo wir die Radarüberwachung verließen und unsere (unerlaubte) Flughöhe von über 6.000m erklommen. Dafür gab es zwei Gründe, die längere Segelzeit zu einem rettenden Schiff falls der Motor ausfallen sollte und der geringere Spritverbrauch. Dafür hatten wir unglaubliche Kopfschmerzen, es war uns schlecht und wir schwankten zwischen Einschlafen und akutem Luftschnappen müssen. Nur Helmut, unser Pilot war scheinbar topfit?
In über 6.000m Höhe im Direktflug von München nach Algier.
6 Stunden und 15 Minuten später landeten wir sicher in Algier – mit 15 Litern Sprit in den Tanks. Mit dem Taxi ging es direkt zur Botschaft. Wir kamen uns dort vor, wie Bettler beim Versuch einen Bankkredit zu bekommen. Nichts war vorbereitet, keine Papiere standen zur Verfügung, keine Genehmigungen. Ansonsten waren Mitarbeiter mit der Pflege der Botschaftslimousine beschäftigt.
Vor unserer Not-Unterkunft im Goethe-Institut in Algier
Im nebenan liegenden Goethe-Institut konnten wir übernachten, um am nächsten Morgen nach unseren Papieren zu fragen – vergeblich. Da unser nächster Flugplatz, In Salah nur bis 17.00 angeflogen werden konnte, war weiteres Warten nicht möglich. Man versprach uns aber, die fehlenden Genehmigungen an die jeweiligen örtlichen Stellen weiterzuleiten.
Inzwischen war es zu spät für In Salah, wir flogen nur bis El Golea.
Anflug auf den Flugplatz von El Golea.
Intensive Routenvorbereitung vor dem Abflug nach Tamanrasset.
Am Sonntag, den 21.3. erreichten wir problemlos Tamanrasset und fuhren mit dem Taxi in die Stadt zum Hotel Tahat. Von dort aus besorgten wir von Schweizer Afrikareisenden fünf 20L-WM Kanister für unser späteres Benzindepot. Aus Gewichtsgründen blieb meine Spiegelreflexausrüstung zurück, fotografiert wurde jetzt mit der Minox 35.
Traumhafter Blick auf die Wüstenoase In Salah, Algerien
Anflug auf den Flughafen Tamanrasset, Hoggarpiste im Vordergrund
Am nächsten Tag hieß es volltanken! Und dazu 160 Liter in die inzwischen 8 Kanister.
Wohin mit den Kanistern? Sie lagen unter den Füßen, zwischen den Sitzen und auf dem Schoß! Wer hat da Sicherheitsbedenken?
Die 1377m Höhe des Flughafens und der viele Sprit waren wohl doch etwas viel für die Cessna – wir hatten nach 15 Minuten Flug gerade 20m an Höhe gewonnen – als es versengt roch. Unsere beiden Piloten waren sehr, sehr schweigsam, die Temperaturanzeige der Zylinderköpfe kletterte unaufhaltsam weit über die rote Marke hinaus. Nur mit überfettetem Gemisch konnte erstmal die Höhe gehalten werden, währenddessen sorgte das verringerte Gewicht für Entlastung und wir stiegen auf ca. 2500m über Grund, Richtung Bordj Mokthar, der algerischen Grenzstation.
Hier wollten wir unser Benzindepot anlegen und meine Hauptaufgabe, einen sicheren Landeplatz aus der Luft zu suchen, von dem aus wir auch wieder starten können müssen, entwickelte sich zum längeren Alptraum.
Helmut und Fritz meinten zu mir, dass es langsam Zeit wäre für eine klare Ansage, sonst gehe der Sprit in der Luft aus – aber die Bodenbeschaffenheit schien mir nicht sicher genug. Schließlich entdeckte ich Steinmarkierungen, die auf eine alte Landepiste hindeuteten, gerade als 2 Militärfahrzeuge diese Strecke abfuhren. Man hatte unsere Suche von Bordj Mokthar aus beobachtet und wollte uns die Piste zeigen. Die Landung ging glatt und alle waren froh, dem fliegenden Molotow-Cocktail entronnen zu sein. Nur der Propeller sah nicht mehr so gut aus – die kleinen Steinchen auf der Serir-Oberfläche hatten daumennagelgroße Stücke herausgeschlagen.
Letzte Kontrollen auf dem Flughafen Tamanrasset 22.3.1982 vor dem nächsten Abflug nach Bordj Mokhtar.
Die Begrüßung durch die algerischen Militärs war sehr freundlich und man bot uns jede Hilfe an! Aus den Grenzbüchern der Gendarmerie durften wir uns wichtige Daten notieren – die noch interessanteren Bücher der Adouana blieben uns trotz verbaler Hilfe des Militärs verschlossen.
Kanister abladen und zurück nach Tamanrasset, die nächste Ladung Sprit holen. Der Start war ein bisschen spektakulär – um den Propeller so weit wie möglich vom Boden wegzubekommen, drückte Helmut das Heck sofort nach unten und das Bugrad in die Höhe. Hat geklappt!
Mit dem Taxi fuhren wir in Tam zur Quelle Source Chapuis, dem dortigen Campingplatz, der durch seine saubere Quelle für Afrikareiseverhältnisse perfekt ausgestattet war. Dort erhofften und erhielten wir weitere Kanister für unser geplantes Benzindepot.
Nach der Übernachtung im Tahat brachte uns das Taxi zum Flugplatz – volltanken. 270 Liter in die Tanks und 100 Liter in die Kanister. Diese 60 Liter weniger sorgten für einen zügigen und entspannten Start.
Nach 5 Stunden Suchen aus 600m Höhe entdeckte ich aus meinem Fenster eine winzige Struktur, die nicht nach Natur aussah. Helmut und Fritz versuchten meiner Beschreibung folgend, den Fleck wieder zuentdecken aber erst nach 15 Minuten hatten wir den Punkt wieder neben uns. Es war ein roter Toyota BJ42 – wir hatten das Fahrzeug entdeckt. Diese Neuigkeit wurde sofort nach Deutschland gefunkt.
In diesem Dünengürtel zwischen Algerien und Mali haben wir den Toyota BJ42 entdeckt. 23.3.1982
Der rote Kreis zeigt den versteckten Toyota BJ42. 1982.
Helmut und Fritz versuchten die Position in der Karte festzustellen – das war v o r Satellitennavigation – um später wieder zurückkehren zu können. Man einigte sich auf N 21° 5′ 1″ / E 1°1′ 0″
Der Originalfunkverkehr (Eine Funkverbindung war nur während des Fluges möglich!) zu Dornier kann hier angehört werden:
Unser Tanklager und Übernachtungsplatz wenige km nördlich von Bordj Mokhtar.
Wir flogen zu unserem Depot zurück, Horst und ich stiegen in den Geländewagen der Militärs ein und Helmut und Fritz starteten, um uns aus der Luft den Weg zu weisen. Vergeblich. Vor Einbruch der Dunkelheit haben wir die erneute Suche abbrechen müssen.
Wir genossen die Gastfreundschaft vom Militär und der Gendarmerie von Bord Mokthar, während sich der Zoll (Adouana) in jeder Hinsicht querstellte und keinerlei Informationen herausrückte oder sonstwie behilflich war.
Mit einem Kanister vor dem Wind geschützt warten wir auf den Morgenkaffee.
Am Mittwoch, 24. März fuhren wir Richtung Süd, Helmut und Fritz starteten die erneute Suche aus der Luft. Nach weiteren 2 Stunden Suche stehen wir neben dem Toyota mit Münchner Kennzeichen.
So fanden wir den Toyota vor – ausgeräumt und versteckt hinter Dünen. 24.3.1982
Ohne Räder, ohne Batterie, aufgesägtes Dach, abmontiertes Dachzelt ohne Stoff, leergeräumt andere Ausrüstungsteile lagen außen herum. Einige Merkmale am Fahrzeug ließen auf einen Überfall schließen. Eine Suche in der näheren Umgebung führt zu keinem Ergebnis.
Am folgenden Freitag sollten wir 4 Räder bekommen, sodass wir den Toyota aus den Dünen nach Bordj Mokhta schleppen könnten. Bis dahin flogen wir zurück nach Tam, brachten die geliehenen Kanister zurück und holten die Fotoausrüstung aus dem Hotel ab.
Schließlich kam am Samstag ein Fahrzeug der Gendarmerie mit 4 Rädern und wir machten uns auf den Weg. In der Nähe des Fundortes traf unser Militär einen Nomaden, den er so eindringlich befragte, dass Helmut seinen Mitschnitt auf dem Diktiergerät löschen musste…
Da der Toyota sehr gut in den Dünen versteckt worden war, ging es mit den Abschleppen nicht besonders zügig voran. Die Schaufeln waren angesagt.
An einem nur 4m kurzen Seil zeigte der Fahrer was er konnte, vor allem wie schnell er konnte. Über Dünen, Piste, Fechfech. Gesehen habe ich nichts, nur Unmengen Sand geschluckt. Angekommen in Bordj Mokhtar wurde eine Batterie gebracht – und siehe, der Toyota sprang sofort an und war fahrbereit. Damit war die Annahme, dass ein Fahrzeugdefekt Ursache war, widerlegt.
Letzte Abstimmungen mit dem Militär und dann zurück nach Tamanrasset. 25.3.1982
Unsere Suchaufgabe war erfolgreich zu Ende gebracht und wir machten uns über Tamanrasset, El Golea nach Algier zur Deutschen Botschaft auf.
Vor dem Abflug aus Tamanrasset nach Algier.
Zwischenlandung und Übernachtung in El Golea
Das von der Botschaft zur Schau gestellte Desinteresse, eine Hilfsbereitschaft, die eher das Gegenteil war, enttäuschte uns jetzt nicht mehr. Wir holten unsere Rettungsinsel ab, machten uns zügig mit einem Zwischenstopp in Ajaccio auf den Weg nach München – und dachten an die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit unserer algerischen Bekannten.
Inzwischen (2023) sind über 40 Jahre vergangen, Helmut hat das Flugzeug verkauft und die PPL zurückgegeben, Fritz betreibt seine exclusive Mercedes SL Oldtimer-Werkstatt, Wallner Classic in München, Horst genießt sein Pensionärsdasein und Bernd Woick hat seine Firma an Globetrotter verkauft und widmet sich dem Reisen…
Wieder zurück in München Riem. 30.3.1982
Wenige Tage nach unserer Rückkehr wurden die Leichen des Ehepaars etwa 7km vom Fundort des Fahrzeugs gefunden, viele Ausrüstungsgegenstände und Schmuck wurden in Bordj Mokhtar gefunden und beschlagnahmt. Das Ehepaar war eindeutig einem Kapitalverbrechen zum Opfer gefallen.
Unsere Delta-Echo-Hotel-Alpha-Tango im Abendrot
Und unsere treue, zuverlässige D-EHAT? Sie wurde nach Tanzania verkauft. Nach einem extrem starken Gewitter flog der neue Besitzer am 20. April 1995 von Pemba in Richtung Dar es Salam, als der Motor erst stotterte, dann völlig erstarb.
Er konnte noch bis auf wenige hundert Meter an die Küste von Kiweni Island segeln, bevor er notwassern musste und den Strand zu Fuß erreichen konnte. Die Cessna war damit endgültig aus dem Verkehr gezogen.
Was war der Grund? Während eines Gewitters auf dem Flughafen von Pemba war der Tankdeckel nicht verschlossen gewesen und Regenwasser konnte in die Tanks eindringen.